Erklärung der Zentralen Leitung der Jugendfront. Wien, 11. Juni 2025.
Am Dienstag, den 10. Juni, ereignete sich am Vormittag ein Amoklauf am BORG Dreierschützengasse. Ein 21-jähriger ehemaliger Schüler tötete zehn Menschen. Die Opfer sind Schülerinnen und Schüler verschiedener Jahrgangsstufen sowie eine Lehrkraft. Der mutmaßliche Täter starb im Zuge des Amoklaufes ebenso. Mindestens 30 Menschen sind verletzt, zum Teil schwer. Mittlerweile befinden sich alle in einem stabilen Zustand.
Unser Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Opfer. Den Verletzten wünschen wir viel Kraft – ebenso allen Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern, dem gesamten Personal der Schule sowie ihren Angehörigen. Sie alle haben durch diese schreckliche Tat großes Leid erfahren.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind wenig Informationen über das Motiv des Täters bekannt. Sollten diese an die Öffentlichkeit gelangen, werden sie kaum zur Erklärung dieser Gewalttat beitragen. Wir möchten mit unserer Erklärung keinerlei Mutmaßungen anstellen. Und doch können wir als Organisation, in der Jugendliche aus ganz Österreich organisiert sind, die politischen Reaktionen der Regierung, in denen viel Relevantes ausgelassen wird, nicht so stehenlassen. Man kann solche Gewalttaten von Einzeltätern nicht mit vollkommener Sicherheit verhindern. Es ist jedoch möglich und die Verantwortung der Regierenden, die Wahrscheinlichkeit für solche Bluttaten zu minimieren. Und hier sind in der Vergangenheit etliche Versäumnisse festzustellen.
Die Sprecherin von Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS), Susanne Leiter, behauptet als Reaktion auf den Amoklauf, dass es schulspezifische Krisenpläne im Falle eines Amoklaufes an jeder Schule gebe. Dies ist schlicht falsch – an vielen Schulen existieren solche Konzepte nicht.
Seit Jahrzehnten mangelt es an den Schulen außerdem an Konzepten zum Schutz vor Gewalt – physischer, psychischer sowie sexualisierter. In einem im Herbst 2023 beschlossenen Maßnahmenpaket wurden zwar einige neue Maßnahmen angekündigt, zusätzliche finanzielle Mittel dafür wurden jedoch nicht bereitgestellt.
Mit der Schulordnung 2024 wurden zwar Gewaltschutzkonzepte für jede Schule verpflichtend. Es ist aber bezeichnend, dass die Konzepte nicht vom Ministerium erarbeitet wurden, sondern die Verantwortung stattdessen auf die einzelnen Schulstandorte abgewälzt wurde. Die Konzepte werden nun teilweise von Lehrer-Teams ausgearbeitet, die in Wirklichkeit keinerlei Expertise für diesen Bereich haben. Außerdem werden die Lehrerinnen und Lehrer vielerorts unzureichend über die erarbeiteten Gewaltschutzkonzepte informiert, sodasss diese, falls überhaupt schon vorhanden, vielen Lehrpersonen gar nicht bekannt sind. Auch bezüglich der Krisenpläne im Falle eines Amoklaufs will das Ministerium nun die Verantwortung wieder auf die Schulen und das dortige Personal abwälzen, dem die fachliche Kompetenzen dazu fehlen.
Beim schulpsychologischen Personal herrscht ein massiver Mangel. Im Juni 2024 gab es an Österreichs Schulen knapp 195 Vollzeitäquivalente (die tatsächliche Zahl des schulpsychologischen Personals ist also höher, denn einige sind nur Teilzeit beschäftigt). Das sind etwa 14 mehr als im August 2022 (vor dem Maßnahmenpaket). Noch immer kommen also etwa 5.600 Schülerinnen und Schüler auf nur einen Schulpsychologen, bzw. eine Schulpsychologin.
Auch die Kapazitäten der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind dem Bedarf bei Weitem nicht gewachsen. Mittlerweile sind nachweislich gut 30 Prozent der Jugendlichen und Kinder von psychischen Störungen betroffen. Auf Behandlungsplätze bestehen monatelange Wartezeiten. Eine lückenlose Versorgung ist unter den gegebenen Bedingungen unmöglich.
Die neue Regierung drückt währenddessen neue Sparmaßnahmen durch, die nur der kapitalistischen Logik folgen. Sie verweigert den Bereichen, die nicht profitabel sind, finanzielle Mittel und treibt damit den Wohlstandsverlust der Arbeiterklasse sowie ihrer Söhne und Töchter voran. Das alles wird die genannten Probleme nicht lösen, sondern wird zu ihrer Verschlimmerung beitragen.
Gewalt, auch an Schulen, ist Symptom eines kranken Systems.
Bildquelle: Ali Ahmad DANESH via https://pixabay.com/de/photos/kerze-gebet-energie-trauer-7595607/