Erklärung der Zentralen Leitung der Jugendfront zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Wien, 25. November 2025.
Ein Drittel aller Frauen ab dem Alter von fünfzehn Jahren in Österreich hat im Laufe des Lebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. 280.000 Frauen, also acht Prozent, wurden Opfer einer Vergewaltigung. Im Jahr 2025 wurden in Österreich bereits 14 Frauen Opfer von Femiziden – sie wurden also ermordet, weil sie Frauen waren. Die autonomen österreichischen Frauenhäuser dokumentieren außerdem 31 Mordversuche und Fälle schwerer Gewalt. Diese Fälle von schwerster und tödlicher Gewalt sind nur die Spitze des Eisbergs eines Systems, das Gewalt gegen Frauen notwendigerweise reproduziert. Stalking, psychische Manipulation, K.O.-Tropfen, Belästigung am Arbeitsplatz oder die Androhung von körperlicher Gewalt in der Beziehung sind in Österreich Alltag. Die Konsequenzen für die betroffenen Frauen reichen von erhöhten Ängsten, Schlafstörungen und Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken und Selbstverletzung.
Die Unterdrückung der Frau ist tief mit der Entwicklung des kapitalistischen Systems verknüpft. Dieses machte sich bestehende patriarchale Strukturen und Stereotypen für die Vermehrung der Profite der Kapitalisten zunutze. Denn Frauen verrichteten und verrichten unbezahlt die Hauptlast der Reproduktionsarbeit: Sie übernehmen den Großteil der Kindererziehung, pflegen alte und kranke Familienangehörige und erledigen den Großteil der Hausarbeit. Dass Frauen zusätzlich einer Erwerbsarbeit nachgehen, war nicht immer so. Ihr Einstieg in die Lohnarbeit war aber auf jeden Fall ein Fortschritt für die Emanzipation der Frau, denn er bedeutete eine Verminderung der Abhängigkeit vom Mann. Auch diese Entwicklung wusste das Kapital jedoch zu nutzen, denn Frauen wurden deutlich niedrigere Löhne als Männern bezahlt – eine Tatsache, die bis heute noch Bestand hat. Außerdem arbeiten Frauen heute vermehrt in prekären Beschäftigungsverhältnissen und sind stärker von Armut und Altersarmut betroffen. Zusätzlich wird die Aufgabe der unbezahlten Reproduktionsarbeit weiterhin Frauen zugeschrieben. Eine tendenzielle ökonomische Abhängigkeit vom Mann besteht somit weiterhin.
Die ökonomische Abhängigkeit hat auch ideologische Auswirkungen. Schon in Kinderjahren werden Mädchen frauenverachtende Stereotypen vermittelt – von der kapitalistischen Werbeindustrie sowie der herkömmlichen Film-, Kunst-, Musik- und Kulturbranche. Frauen und Mädchen sollen leise sprechen, wenig Platz einnehmen, Ungerechtigkeiten widerspruchslos ertragen und sich unterordnen. In sozialen Medien werden Frauen, die sich für Schwangerschaftsabbrüche entscheiden, verteufelt. Selbst die reaktionärsten Familienbilder, in denen die Frau zuhause bleibt und zur bloßen Dienerin des versorgenden Ehemannes herabgewürdigt wird („Tradwife“-Trend), werden schöngefärbt und erleben Hochkonjunktur. Doch auch Phänomene wie Prostitution werden in sozialen Medien verharmlost. Ein System, das vor allem migrantische und armutsbetroffene Frauen mittels Manipulation, Zwang und Drohungen zum Verkauf der Verfügungsgewalt über den eigenen Körper drängt, wird normalisiert.
Die ökonomische Abhängigkeit vom Kapitalisten bei der Lohnarbeit, die Abhängigkeit vom Mann innerhalb der Beziehung in Kombination mit der ideologischen Herabwürdigung der Frau reproduzieren Machtverhältnisse, die die Grundlage für Gewalt bilden: Viele Frauen können aufgrund von finanziellen Abhängigkeiten vom Partner nicht aus gewalttätigen Beziehungen fliehen. Viele Frauen vermeiden es, Belästigung und Übergriffe durch den Vorgesetzten zu melden, aus Angst den Job zu verlieren. Ein unterfinanziertes Gesundheitssystem und der Mangel an ausreichenden kassenfinanzierten psychologischen Therapieplätze führen darüber hinaus dazu, dass vor allem Frauen aus der Arbeiterklasse mit den psychischen Konsequenzen der Gewalt alleine gelassen werden. Es zeigt sich deutlich: Auch wenn Gewalt gegen Frauen ein Phänomen ist, von dem auch Frauen der Kapitalistenklasse betroffen sein können, haben diese weitaus mehr Möglichkeiten, der Gewalt zu entfliehen oder können sich zumindest mehr Unterstützung leisten.
Es muss erwähnt werden, dass der Kapitalismus im Stadium des Imperialismus, Gewalt gegen Frauen auch durch die zahlreichen Kriege fördert, die geführt werden, um die Profite der Kapitalisten zu sichern und zu vermehren. Der israelische Vernichtungskrieg gegen Gaza forderte beispielsweise das Leben von zehntausenden Frauen und Mädchen. Ein Bericht des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vom März 2025 thematisiert den bewussten, systematischen Einsatz von sexualisierter, reproduktiver und geschlechtsspezifischer Gewalt durch das israelische Militär und israelische Siedler. Im Zuge der dutzenden imperialistischen Kriege, die derzeit geführt werden, ob im Sudan, in Libyen oder der Ukraine kommt es zu sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt.
Die Geschichte hat gezeigt, dass die Beseitigung des kapitalistischen Ausbeutersystems enormes Potenzial für die volle Gleichstellung und Befreiung der Frau entfalten konnte, denn damit wurde auch die ökonomische Grundlage für die Unterdrückung von Frauen beseitigt. Lohngleichheit, vereinfachte Möglichkeiten zur Scheidung, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und der Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung sind nur einige der zahlreichen Errungenschaften der sozialistischen Staaten in Hinblick auf die Emanzipation der Frau. Nur in einem System, das nicht länger auf Profitmaximierung einer kleinen Klasse an Kapitalisten, sondern auf die umfassende Befriedigung der Bedürfnisse der Gesellschaft ausgerichtet ist, kann Gewalt gegen Frauen nachhaltig bekämpft und beseitigt werden.
Wir dürfen also nicht dabei stehen bleiben, bloß Symptome des kapitalistischen Systems zu bekämpfen, das Gewalt gesetzmäßig hervorbringt. Natürlich sind Maßnahmen wie die bessere Finanzierung von Frauenhäusern, der Ausbau von Beratungsstellen und Reformen im Justizsystem dringend erforderlich. Doch solange der Kapitalismus Abhängigkeitsverhältnisse und frauenverachtende Denkweisen reproduziert, bleibt jede Maßnahme unzureichend. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen, der Kampf für ein Ende der Unterdrückung von Frauen und Mädchen und für die Gleichstellung der Geschlechter ist ein zentraler Aspekt des Klassenkampfes – des Kampfes gegen das kapitalistische System. Im Zuge des Klassenkampfes verlassen wir die Position als Bittstellerinnen und Bittsteller, die sich von der herrschenden Klasse punktuelle Verbesserungen erbeten. Wir kämpfen eigenständig für die Realisierung unserer Interessen. Für ein Ende der Gewalt und Unterdrückung. Für den Sozialismus und Kommunismus.
Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau! Ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!